Eigentlich böten sich anlässlich eines pandemiebedingten Shutdowns und einer für viele unumgänglichen Verringerung beruflicher Aktivitäten ungeahnte Freiheiten, sich die Zeit mit ausuferndem Kulturgenuss zu vertreiben, wobei das Besuchen von Ausstellungen, anders als das naturgemäß in den eigenen vier Wänden mögliche Bücherlesen, Filmegucken und Musikhören, bedauerlicherweise außen vor bleibt. Die Tatsache, dass sich weder die Betrachtung von Kunstwerken in Galerien und Museen noch private Urlaubsreisen mit den derzeit gebotenen Verhaltensweisen überein bringen lassen, haben auch durch meine Pläne einen Strich gemacht. Zum Einen hat es sich mit der Kunstvermittlung vor Originalen fürs Erste …
Ulli Maier: Instant Vintage
So, wie sich die Daseinsberechtigung eines Kellners an der Notwendigkeit festmacht, Speisen und Getränke an einen Tisch zu tragen, verdankt sich jene eines Kunstvermittlers grundsätzlich der Vermittlungsbedürftigkeit von Kunstwerken. Anders als im Restaurant besteht der eigentliche Erlebniswert dabei mitunter weniger in dem, was man serviert, als in dem, was man vorenthalten bekommt. Eingedenk der Vorstellung, wonach die Kunst als Ausdrucksmedium weltanschaulicher Ideen selbst immer mehr in den Rang eines weltanschaulichen Systems aufsteigt, erscheint es nicht ganz abwegig, bestimmte künstlerische Tendenzen, deren Relevanzanspruch sich explizit in Abgrenzung von …
Ide Andre, Andreas Bischoff, Nils Bleibtreu, Marcel Frey, Laura Sachs: Given Surface
Wenn es noch eines endgültigen Belegs für die ungebrochene Omnipräsenz der Nachkriegsmoderne im Düsseldorfer Kunstbetrieb bedurft haben sollte, so kann dieser allerspätestens infolge des letztjährig zelebrierten ZERO-Geburtstags als erbracht angesehen werden. Ausstellungen und Events, im Zuge derer sich tausende die bei Piene, Mack und Uecker dominierende Monochromie als Sichtbarmachung metaphysischer Sphären vor Augen führen ließen, gaben ausgiebig Gelegenheit zu projektiven Deutungen, die insofern kein kunsthistorisches Novum darstellen, als dass vergleichbare Rezeptionsansätze bereits im Zusammenhang mit dem russischen Suprematismus oder dem Goldgrund in der christlichen Malerei …
Thomas Wrede: Sceneries
Wenn man im Wörterbuch unter „Mimesis“ nachschlägt, findet sich eine Reihe divergierender Definitionen, wobei sich eine semantische Schnittmenge am ursprünglichen altgriechischen Wortsinn festmacht, der auf deutsch soviel wie „Nachahmung“ bedeutet. Wie sich an gleicher Stelle nachlesen lässt, beruhen die unterschiedlichen Begriffsauslegungen auf verschiedenen Konnotationskontexten, welche diverse Wissensbereiche von der Biologie bis zur philosophischen Teildisziplin der Ästhetik einschließen. In der Zoologie versteht man darunter die Fähigkeit eines Lebewesens, zum Zwecke der Tarnung die Gestalt seiner Umwelt anzunehmen. Als philosophischer Topos spielt die Mimesis schon so lange eine …
Fette / Koschkarow / Lahme
Um vor dem Hintergrund der übermächtigen Online-Konkurrenz die eigenen finanziellen Überlebenschancen zu erhöhen, ist man im Bucheinzelhandel schon seit einiger Zeit dazu übergegangen, den Umsatz durch den vermehrten Verkauf sogenannter Nichtbuchmaterialien wie Schreibwaren, Schlüsselanhänger oder Spielzeug anzukurbeln. Unter diesen meist im Kassenbereich feilgebotenen Artikeln habe ich kürzlich ein parkscheibenähnliches, als „Kunstkritik-Scheibe“ bezeichnetes Utensil entdeckt, mit dem sich, durch das wechselseitige Drehen mit zahlreichen Fachbegriffen bedruckter Pappräder, nicht weniger als 50.625 „Aussagen über die Kunst“ bilden lassen. Dabei lassen sich …
Das Rote Zebra: Eine Künstlergruppe stellt sich vor
Das ZEBRA fängt mit Z an und hört mit A auf
Das Z ist schwarz
Das A ist weiß
Das EBR ist zwischen den Streifen
Dies lässt sich allerdings nicht über alle Vertreter dieser Spezies behaupten. Wer Mitte November in der Carlstadt unterwegs war, konnte das Glück haben, dem einzigartigen Exemplar eines roten Zebras zu begegnen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen vierhufigen Steppenbewohner, sondern um eine achtköpfige Künstler-Kooperative, deren Werke zur Zeit in der Direct Art Gallery zu sehen sind und deren Arbeitsmittelpunkt sich …
FORT: Sweet Sickness
Wie sich beim Zappen durch Fernsehprogramme, dem Durchgehen von Radiosendern oder einem Blick auf Buchhandlungsregale konstatieren lässt, geben Liebesgeschichten ein wie eh und je gängiges Thema innerhalb unterhaltungskultureller Genres ab, wohingegen sich die Hochkunst im Zuge der jüngsten Epochen zu einer eher libidofreien Zone entwickelt hat. Darstellungen von Putten und Schmetterlingen umspielter, mehr oder weniger bekleideter Paare, die bis zum Anbruch der Moderne zum festen Repertoire der profanen und mythologischen Ikonographie gehörten, laufen heute Gefahr, den Einwand der Trivialität oder der Obszönität zu erregen. Dabei lassen sich, wie im Motiv eines Schachspiels, welches …
Matthias Wollgast: Terminal Hel
Eine signifikante Gemeinsamkeit zwischen dem New Yorker Bildhauer Bill Wechsler, dem Impressionisten Claude Lantier und dem blinden Nachkriegsavantgardisten Manuel Kaminski liegt in der Tatsache, dass es sich bei ihnen nicht um reale Personen, sondern um literarische Charaktere handelt. Dass die Erweiterung des schöpferischen Radius’, welche sich vom Schreibtisch aus über die Figur eines erfundenen Künstlers herbeiführen lässt, eine gern wahrgenommene Option darstellt, lässt sich prominent anhand einer von Hans Magnus Enzensberger herausgegebenen Enzyklopädie fiktiver Künstler von 1605 bis heute vor Augen führen. Inexistente Künstler fertigen …