
Angela Auer: o. T.>, 2018, Grafit, Aquarell auf Papier, 42 x 59,4 cm, Courtesy Direct Art Gallery, Düsseldorf
Antilopen Gang Zebra Gang – Das Rote Zebra: Eine Künstlergruppe stellt sich vor,
Direct Art Gallery
Das ZEBRA fängt mit Z an und hört mit A auf
Das Z ist schwarz
Das A ist weiß
Das EBR ist zwischen den Streifen
Dies lässt sich allerdings nicht über alle Vertreter dieser Spezies behaupten. Wer Mitte November in der Carlstadt unterwegs war, konnte das Glück haben, dem einzigartigen Exemplar eines roten Zebras zu begegnen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um einen vierhufigen Steppenbewohner, sondern um eine achtköpfige Künstler-Kooperative, deren Werke zur Zeit in der Direct Art Gallery zu sehen sind und deren Arbeitsmittelpunkt sich in Soest befindet. Das dort gemeinsam betriebene Atelier wurde vor über dreißig Jahren von Klaus-Peter Kirchner ins Leben gerufen, der sich sowohl als Mitglied der Gruppe wie auch als Leiter der 2014 gegründeten und auf Outsider-Kunst spezialisierten Galerie betätigt.

Daniel Egberts: o. T.>, 2018, Edding auf Aquarellpapier, 30 x 40 cm, Courtesy Direct Art Gallery, Düsseldorf
Als Sammelbegriff für künstlerische Strömungen, die sich außerhalb des akademisch sozialisierten Kunstbetriebs verorten lassen, steht die Outsider-Kunst in der Tradition der sogenannten Art Brut und der sogenannten Naiven Kunst, wobei die in diesem Zusammenhang gängigen soziologischen und psychologischen Stereotypen mittlerweile als unzeitgemäß angesehen werden. Eine vergleichsweise undogmatische Ausrichtung zeigt sich auch in den von Herrn Kirchner und seiner wissenschaftlichen Mitarbeiterin Melanie Florin organisierten Ausstellungen, deren Spektrum Arbeiten von Menschen mit psychischem oder geistigem Handicap ebenso wie partikuläre laienkünstlerische Ansätze abdeckt. Ein weiterer programmatischer Aspekt liegt darin, dass die im Rahmen einer uneigennützigen Stiftung agierende Galerie nicht nur etablierte Größen, sondern gleichermaßen junge und weniger marktgängige Positionen innerhalb des entsprechenden Genres vertritt.

Markus Zumpe: o. T.>, 2018, Farbstift auf Papier, 29,7 x 42 cm, Courtesy Direct Art Gallery, Düsseldorf
Zu den bekanntesten Künstlern, deren Werke bislang in den in der Citadellstraße gelegenen Räumen gezeigt wurden, gehört der 2007 verstorbene Oswald Tschirtner, der mit einem seiner Bilder als Namensgeber für das derzeit dort vorgestellte Kollektiv Pate gestanden hat. Referenzen auf berühmte Vorbilder, die im Übrigen die landläufige Vorstellung eines abseits jedweder Einflüsse vor sich hin werkelnden „Outsiders“ als überholtes Klischee entlarven, klingen auch mehr oder weniger konkret in der Kunst selbst an. So mag man sich beim Anblick der überbordenden Vegetation in Angela Auers minutiös durchgemalten Aquarellen an die Urwaldlandschaften des malenden Zöllners und Naiven-Vorreiters Henri Rousseau erinnert fühlen. An bunten Eiern, die sich inmitten der eigentümlichen Gewächse verstecken, machen sich indes sakrale Motive im Sinne einer christlichen Auferstehungs- und Paradiessymbolik fest.

Alba Strauß: o. T., 2018, Acryl auf Leinwand, 150 x 130 cm, Courtesy Direct Art Gallery, Düsseldorf
Die religiös-kontemplative Qualität in Frau Auers Bildern geht mit jener eines intensiven kreativen Fließens einher, welche in vergleichbar ausgeprägter Form in den Filzstiftzeichnungen von Daniel Egberts zum Ausdruck kommt. Hier finden sich akkurate Raster- und Gitterstrukturen, die sich in sich verformen, verdichten und zu komplexen tiefenräumlichen Gebilden akkumulieren, wobei die grafisch gehaltene Formensprache sowohl an spezifische Spielarten der Street Art wie an solche organischer Architektur denken lässt. Die Reduktion bildnerischer Mittel bildet auch ein Charakteristikum der mit lockerem Gestus zu Papier gebrachten Grafitzeichnungen Markus Zumpes, welche ansatzweise anthropomorphe und landschaftliche Darstellungen erkennen lassen. Die figurativen Elemente bilden dabei das Ausgangsmoment eines Werkprozesses, innerhalb dessen sich der Strich verselbstständigt und in einander überlagernde Schraffuren übergeht.

Melanie Woste: o. T.>, 2018, Versandkarton, 12 x 13 x 31 cm, Courtesy Direct Art Gallery, Düsseldorf
Während sich bei Markus Zumpe vage Anklänge in die Richtung des abstrakten Expressionismus’ ausmachen lassen, findet eine Anlehnung an künstlerische Vorbilder bei Alba Strauß in ganz gezielter Weise statt. Zum Inventar des Soester Ateliers gehört auch eine Bibliothek mit zahlreichen Kunstbüchern, aus denen die Malerin regelmäßige Anregungen für ihr eigenes Schaffen zieht. Wie sich am Bildnis eines Mädchens mit Katze abzeichnet, geht es ihr jedoch weniger um eine stringente Adaption, als um eine sukzessive Loslösung vom Original, im Zuge dessen es zu koloristischen, teils comichaft anmutenden Neuerfindungen der Vorlagenmotive kommt.

Melissa Raymaekers: o. T., 2018, Collage, Aquarell, Grafit, 30 x 25 cm, Courtesy Direct Art Gallery, Düsseldorf
Alba Strauß’ Werke weisen eine humoristische Note auf, die sich, wenn auch in vergleichsweise unterschwelliger Form, ebenso in den Plastiken von Melanie Woste offenbart. Bei den farblich umso schlichter gehaltenen Objekten aus Karton und Papier handelt es sich um detailgetreue Nachbildungen unterhaltungstechnischer Geräte wie jener eines in den siebziger und frühen achtziger Jahren gebräuchlichen Kassettenrecorders. Die präzise Verarbeitung verstärkt dabei den taktilen Reiz eines scheinbar funktionstüchtigen Gerätes, was die Versuchung hervorruft, einen der Knöpfe zu drücken oder an einem der Regler zu drehen. Als Werkstoff verwendet Melanie Woste überwiegend alte Versandkartons, wohingegen Melissa Raymaekers ihr Material aus Zeitungen und Zeitschriften schöpft. Die daraus hervorgehenden Collagen bilden den Hintergrund für Selbstporträts, die sich in Anbetracht einer im Social-Media-Zeitalter immer flüchtiger betriebenen Selbstveräußerung als Zeugnisse einer tiefer gehenden Introspektive ausmachen. Ein etwaiger Individuationsprozess scheint sich in diesem Zusammenhang nicht nur am Faktor der hier vor Augen geführten Selbsthinterfragung und -vergewisserung, sondern auch an Attributen wie Blumen, Insekten oder Musiknoten fest zu machen, die den Bildern eine romantische und bisweilen melancholische Aussage verleihen.

Anke Obermeier: o. T., 2018, Grafit, Ölkreide auf Papier, 21 x 29,7 cm, Courtesy Direct Art Gallery, Düsseldorf
Florale Motive begegnen einem auch in den bunten Ölkreidezeichnungen von Anke Obermeier, wobei die dazwischen auftauchenden Kreuze zunächst überlegen lassen, ob man es hier mit stilisierten Darstellungen geschmückter Gräber zu tun habe. Entgegen solcherlei Vermutungen gehen die rhythmischen und zu den Seiten hin frei ausschwingenden Formationen auf die Ornamentik orientalischer Teppiche zurück, womit die Künstlerin einen bemerkenswerten Blick für die in Alltagsdingen enthaltenen ästhetischen Potentiale beweist. Eine dahingehende Unmittelbarkeit der künstlerischen Wahrnehmung mag zu den besonderen Begabungen gehören, die auch den insprirativen Austausch der Gruppenmitglieder untereinander befördern. Das kreativ-symbiotische Verhältnis zu seinen Weggefährten bildet auch das Thema von Klaus-Peter Kirchners Bilderzyklus „Des Bruders kleine Schwester“, der anhand zweier Werkbeispiele ins Ausstellungsprogramm einfließt. So beruhen die ungegenständlichen Darstellungen auf Details aus Werken anderer Gruppenmitglieder, womit der studierte Künstler und Kunsthistoriker gleichsam Momentaufnahmen eines fortwährenden Lernprozesses präsentiert.

Klaus-Peter Kirchner: Des Bruders kleine Schwester (30), 1999, Tusche, Grafit, Aquarell auf Papier, 42 x 59,4 cm, Courtesy Direct Art Gallery, Düsseldorf
Wie sich an zahlreichen kunsthistorischen Beispielen nachvollziehen lässt, haben sich die erfolgreichen Laufbahnen vieler Outsider-Künstler über die Beziehungen zu, wenn man so will, „Nicht-Outsidern“ ergeben. Dies lässt sich auch über diese Gruppe sagen, innerhalb derer Klaus-Peter Kirchner über seine künstlerische Beteiligung hinaus als Unterstützer in organisatorischen und geschäftlichen Belangen fungiert. Dass es in diesem Zusammenhang zur Gründung einer eigenen Galerie gekommen ist, stellt gerade angesichts der wachsenden Beliebtheit, der sich diese Kunstrichtung international erfreut, einen Glücksfall für die Kunststadt Düsseldorf dar. Ebenso fortschrittlich erscheint der Umstand, dass sich die strikte Trennung vom restlichen Kunstbetrieb aufzulösen beginnt. Eine solche Tendenz zeigte sich unter anderem 2015 im Essener Folkwang-Museum, wo klassisch-moderne „Naive“ wie Séraphine Louis oder Camille Bombois Werken von Pablo Picasso oder Emil Nolde gegenübergestellt wurden. Wer sich hingegen für die heutigen Nachfolger der einstigen Vorreiter der Outsider-Art interessiert, sollte diese besondere Gelegenheit nutzen und seine Fühler im neuen Jahr in Richtung Direct Art Gallery ausstrecken.
Das Rote Zebra
Eine Künstlergruppe stellt sich vor
16. November 2018 – 2. Februar 2019
Direct Art Gallery
Citadellstr. 15
40213 Düsseldorf
Öffnungszeiten:
Mittwoch – Freitag 14 – 18 Uhr
Samstag 11 – 14 Uhr
Geschlossen vom 22. Dezember 2018 bis zum 12. Januar 2019