Ide Andre, Andreas Bischoff, Nils Bleibtreu, Marcel Frey, Laura Sachs: Given Surface

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Andreas Bischoff: o. T., Acrylfarbe auf Leinwand, 2019, jeweils 200 x 150 cm, Courtesy: Cosar HMT, Düsseldorf

Die Erschließung der zweiten Dimension – Ide Andre, Andreas Bischoff, Nils Bleibtreu, Marcel Frey, Laura Sachs: Given Surface, Cosar HMT, Düsseldorf

Wenn es noch ei­nes end­gül­ti­gen Be­legs für die un­ge­bro­che­ne Om­ni­prä­senz der Nach­kriegs­mo­derne im Düs­sel­dor­fer Kunst­be­trieb be­durft ha­ben soll­te, so kann die­ser al­ler­spä­tes­tens in­fol­ge des letzt­jäh­rig ze­le­brier­ten ZERO-Ge­burts­tags als er­bracht an­ge­se­hen wer­den. Aus­stel­lun­gen und E­vents, im Zu­ge de­rer sich tau­sen­de die bei Pie­ne, Mack und Uecker do­mi­nie­ren­de Mo­no­chro­mie als Sicht­bar­ma­chung me­ta­phy­si­scher Sphä­ren vor Au­gen füh­ren lie­ßen, ga­ben aus­gie­big Ge­le­gen­heit zu pro­jek­ti­ven Deu­tun­gen, die in­so­fern kein kunst­his­to­ri­sches No­vum dar­stel­len, als dass ver­gleich­ba­re Re­zep­tions­an­sät­ze be­reits im Zu­sam­men­hang mit dem rus­si­schen Su­pre­ma­tis­mus o­der dem Gold­grund in der christ­li­chen Ma­le­rei ei­ne Rol­le ge­spielt ha­ben. Da­bei schei­nen ge­ra­de die hie­si­gen Seh­ge­wohn­hei­ten durch ei­ne Ge­men­ge­la­ge von Sti­len wie der Kon­kre­ten Kunst o­der den von Gott­hard Graub­ner und Ka­tha­ri­na Grosse er­zeug­ten Farb­ne­beln und -schlei­ern be­ein­flusst, wel­che die orts­an­säs­si­gen Kunst­gucker­in­nen und -gucker in be­son­de­rer Wei­se da­zu prä­des­ti­niert, ki­lo­me­ter­weit in ab­strak­te Bild­räu­me hi­nein­zu­schau­en. Ei­ne Zu­sam­men­stel­lung un­ge­gen­ständ­lich-ma­le­ri­scher Po­si­tio­nen, die pas­sen­der­wei­se in ei­nem Düs­sel­dor­fer Sa­kral­bau prä­sen­tiert wer­den, er­scheint vor die­sem Hin­ter­grund wie da­für ge­macht, zu der­lei an­däch­tig-kon­tem­pla­ti­ven Be­trach­tungs­wei­sen ein­zu­la­den.

Nils Bleibtreu: o. T., Mischtechnik auf PVC-Plane, Molton, Holz, Spanngurt, 2019, 194 x 148 cm, Courtesy Cosar HMT, Düsseldorf

Dass man von ge­nau die­ser Op­tion ab­wechs­lungs­hal­ber Ab­stand ge­nom­men hat, stellt sich bei der an­fäng­li­chen Be­ge­hung des e­he­ma­li­gen Re­fek­to­ri­ums he­raus, wel­ches nach dem Aus­zug der hier be­hei­ma­te­ten Non­nen zu ei­nem der schöns­ten Aus­stel­lungs­räu­me der Stadt um­funk­tio­niert wur­de. Ob­gleich nir­gend­wo ge­schrie­ben steht, dass sich der küns­tle­ri­sche Wert ei­nes Bil­des pro­por­tio­nal an des­sen Tie­fen­wir­kung be­mes­se, er­scheint die hier zur in­halt­li­chen Maß­ga­be er­ho­be­ne Nicht­her­bei­füh­rung ei­ner sol­chen zu­nächst ein­mal un­ge­wohnt. Die Fra­ge, was ei­ne da­hin­ge­hen­de Spe­zi­fi­zie­rung an ge­stal­te­ri­schen Mög­lich­kei­ten er­öff­net, wird da­bei in je­weils un­ter­schied­li­cher Wei­se be­ant­wor­tet. So zeigt sich bei­spiels­wei­se im Fal­le von Nils Bleib­treus Ar­bei­ten, dass das The­ma der Un­durch­dring­lich­keit sich nicht nur über die op­ti­sche An­mu­tung, son­dern e­ben­so über die phy­si­sche Be­schaf­fen­heit der Werk­stof­fe ver­mit­teln lässt. Die den e­he­ma­li­gen Schü­ler von Tal R aus­zeich­nen­de Fä­hig­keit, mit ge­mein­hin als min­der­wer­tig an­ge­se­he­nen Ma­ter­ia­lien eine ram­po­niert-bau­stel­len­ar­ti­ge und zu­gleich ar­ti­fi­ziel­le Äs­the­tik her­bei­zu­füh­ren, zeigt sich auch in ei­ner Rei­he von Wand­ob­jek­ten, für die er Fuß- und Farb­spu­ren auf sei­nem A­te­lier­bo­den im Ab­klatsch­ver­fah­ren auf PVC-Fo­lie ü­ber­tra­gen hat.

Ide André: Rattle (RRR), Rustle, Recent Rush, Acrylfarbe auf Leinwand, 2019, jeweils 180 x 135 cm, Courtesy: Cosar HMT, Düsseldorf

Die be­son­de­re Ar­beits­wei­se, in­fol­ge de­rer die prä­pa­rier­te Pla­ne auf un­ter­schied­lich ge­form­te und mit­tels han­dels­üb­li­cher Spann­gur­te zu sper­ri­gen Po­lyp­ty­chen zu­sam­men­ge­füg­ten Rah­men ge­zo­gen wird, weist in­so­fern Ge­mein­sam­kei­ten zu der­je­ni­gen Ide An­drés auf, als dass sich der Bel­gier in sei­nen hier ge­zeig­ten Bil­dern ei­ner nicht we­ni­ger un­ge­wöhn­li­chen Auf­trags­tech­nik be­dient. Ent­ge­gen des ers­ten Ein­drucks, wo­nach die groß­for­ma­ti­gen Lein­wän­de als pol­lockes­ke Spiel­art des Ac­tion Pain­tings er­schei­nen, las­sen sich bei nä­he­rem Hin­se­hen Spu­ren farb­ge­tränk­ter Sei­le aus­ma­chen, die der Küns­tler im­mer wie­der auf die ein­far­big grun­dier­ten O­ber­flä­chen hat fal­len las­sen. Ein Mo­ment sug­ge­rier­ter Be­we­gung, wie es in den ges­tisch-skrip­tu­ra­len Struk­tu­ren zum Vor­schein kommt, fin­det sich in un­gleich sti­li­sier­ter Form auch in den Ra­kel­bil­dern An­dre­as Bi­schoffs, die in ih­rer akku­ra­ten Aus­füh­rung ei­ne an Fo­to­gram­me er­in­nern­de Licht- und Schat­ten­wir­kung her­vor­brin­gen. Der su­per­fi­ziel­le Cha­rak­ter er­gibt sich im Zu­sam­men­hang mit den Ar­bei­ten des ur­sprüng­lich zum Fo­to­gra­fen aus­ge­bil­de­ten Düs­sel­dor­fers nicht zu­letzt aus der Ver­wen­dung ul­tra­fla­cher Bild­trä­ger und der E­ben­mäßig­keit des Farb­auf­trags.

Marcel Frey, o. T, Sprühfarbe auf Leinwand, jeweils 60 x 50 cm, Courtesy Cosar HMT, Düsseldorf

Hin­sicht­lich der pro­gram­ma­tisch zur Schau ge­stell­ten Vor­der­grün­dig­keit, wel­che vor dem Hin­ter­grund der ein­gangs auf­ge­zeig­ten Ten­den­zen ei­nen klei­nen Pa­ra­dig­men­wech­sel mar­kiert, stellt sich die Fra­ge, in­wie­weit sich das hier Ge­zeig­te auch in eine ähn­lich präg­nan­te the­o­re­ti­sche Ein­klam­me­rung set­zen lie­ße. In Er­man­ge­lung aus­führ­li­cher text­li­cher Er­läu­te­run­gen, die, wie sonst üb­lich, ü­ber der­lei kon­zep­tu­el­le Be­wandt­nis­se Aus­kunft ge­ben, liegt es na­he, sich nach dem dies­be­züg­li­chen Stand­punkt des Ga­le­ris­ten zu er­kun­di­gen. In­te­res­san­ter­wei­se kommt Mi­cha­el Co­sar da­rauf­hin we­ni­ger auf in­tel­lek­tu­ell er­fass­ba­re As­pek­te als auf ei­ne vor­nehm­lich vi­su­ell aus­ge­rich­te­te He­ran­ge­hens­wei­se zu spre­chen, wel­che er von sei­nem e­he­ma­li­gen Kunst­ge­schichts­pro­fes­sor Max Im­dahl er­lernt hat. Der da­mit ein­her­ge­hen­de Grund­satz, den Fo­kus we­ni­ger auf kon­tex­tu­el­le Fak­to­ren als auf werk­im­ma­nen­te De­tails zu rich­ten, lässt sich so­gleich im Hin­blick auf Mar­cel Freys Bil­der zur An­wen­dung brin­gen, die man auf An­hieb mit de­nen der e­ben­falls von der Ga­le­rie ver­tre­te­nen Küns­tle­rin Sa­ra Si­zer ver­wech­seln könn­te. Ge­mein­sam­kei­ten ma­chen sich am An­schein tex­ti­ler Fal­tun­gen fest, wo­bei sich zwi­schen der hier sug­ge­rier­ten hap­ti­schen Struk­tur und der tat­säch­li­chen Glät­te des Stof­fes eine ir­ri­tie­ren­de Dis­kre­panz of­fen­bart. Dass der­lei Tex­tu­ren bei Frey durch den Auf­trag von Sprüh­far­be ent­ste­hen, wo­hin­ge­gen sei­ne US-a­me­ri­ka­ni­sche Kol­le­gin sie durch ein teil­wei­ses Aus­blei­chen be­reits ein­ge­färb­ter Ge­we­be er­zeugt, ge­hört zu den sub­ti­len Dif­fe­ren­zie­run­gen, an­hand de­rer sich ab­se­hen lässt, dass das hier be­han­del­te Su­jet der O­ber­flä­che mit­nich­ten ei­nes o­ber­fläch­li­chen Blicks be­darf.

Laura Sachs: Noon I, Noon II, Öl und Metall auf Leinwand, 2019, jeweils 160 x 120 cm, Courtesy: Cosar HMT, Düsseldorf

Dies gilt e­ben­so für die ab­schlie­ßen­de Be­trach­tung der räum­lich et­was se­pa­rat po­si­tio­nier­ten Wer­ke von Lau­ra Sachs, wel­che ähn­lich wie die von Nils Bleib­treu ei­ne Kom­bi­na­tion ma­le­ri­scher und bild­hau­e­ri­scher Kom­po­nen­ten er­ken­nen las­sen. Ein Ge­gen­satz lässt sich in die­sem Zu­sam­men­hang wie­de­rum da­ran fest­ma­chen, dass die bei Hu­bert Kie­col und Gre­gor Schnei­der aus­ge­bil­de­te Küns­tle­rin eine per­me­ab­le Be­schaf­fen­heit des von ihr ver­wen­de­ten Ma­te­rials zur Gel­tung bringt. Die mit me­tal­li­schen Ge­stän­gen ver­bun­de­nen Lein­wän­de wei­sen da­bei ei­nen hell-dunkel kon­tras­tie­ren­den Farb­auf­trag auf, des­sen ei­gen­tüm­lich-fein­stoff­li­che No­te sich ei­nes bei die­ser Ge­le­gen­heit glei­cher­ma­ßen von Herrn Co­sar er­läu­ter­ten Kunst­griffs ver­dankt. So wird das Zu­sam­men­spiel ge­bro­che­ner Weiß- und da­hin­ter her­vor­schim­mern­der Schwarz­tö­ne durch eine rück­sei­ti­ge Be­ar­bei­tung des Bild­trä­gers er­zeugt, die ein au­gen­schein­li­ches Durch­sickern der dunk­len Nu­an­cen und ei­nen da­mit ein­her­ge­hen­den or­ga­ni­schen Cha­rak­ter be­dingt. Dass eine Flä­che zwei Sei­ten hat, wel­che sich auch im Rah­men der hier ver­han­del­ten Fra­ge­stel­lun­gen als Ge­stal­tungs­fak­to­ren mit­ein­be­zie­hen las­sen, mag zu Denk­an­stö­ßen an­re­gen, die manch ei­ner als so­phis­tisch und manch an­de­rer als ganz er­fri­schend emp­fin­den mag. So o­der so lie­ße sich re­sü­mie­ren, dass es der Tief­grün­dig­keit kei­nen Ab­bruch tut, wenn Flach­wa­re auch mal Flach­wa­re sein darf.

Ide Andre, Andreas Bischoff, Nils Bleibtreu, Marcel Frey, Laura Sachs: Given Surface

29. März – 24. Mai 2019

Cosar HMT
Flurstr. 57
40235 Düsseldorf

Öffnungszeiten:

Mittwoch – Freitag 13 – 18 Uhr
Samstag 12 – 16 Uhr

Lernen Sie mit uns die Düsseldorfer Galerienszene kennen! Artesarticulo ist ein Verbund langjährig erfahrener Kunstvermittler/innen, die sich die Erkundung der aktuellen Ausstellungen im Zuge individueller Rundgänge zur Aufgabe macht. Diese werden in Kooperation mit der Düsseldorf Tourismus GmbH auch in Form öffentlicher Führungen angeboten.

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