Wer sich gerne mit Biographien berühmter Leute befasst und dabei Fotos oder sonstige Bilddokumente aus deren Kindheit betrachtet, wird vermutlich festgestellt haben, dass einem Selbige, eingedenk der späteren, damals noch nicht feststehenden Lebenswege, in einem Lichte schicksalhafter Vorherbestimmtheit erscheinen. Je nachdem, wie turbulent und problematisch sich die Sozialisationen jeweiliger Personen gestaltet und wie unverhofft diese schließlich zu einer denkwürdigen Selbstverwirklichung geführt haben, eignen sich entsprechende Erzählungen als literarischer Stoff, welcher es bisweilen mit großen Abenteuerepen aufnehmen kann. So wie das menschliche Dasein wird auch kulturelle …
Alle Artikel in der Kategorie “Allgemein”

Sabine Meier: Metamorphosis and Aporias
Als „Gehirn-im-Tank-Problem“ bezeichnet man ein von der Hypothese ausgehendes Gedankenexperiment, wonach die Gesamtheit sinnlich vermittelter Erfahrung, einschließlich jener der eigenen Körperlichkeit, auf einer bloßen Simulation beruhe. Gleichzeitig ließe sich eine entsprechende, nicht einwandfrei widerlegbare Vorstellung als überspitztes Sinnbild einer räumlich isolierten und lediglich mittels digitaler Vernetzung mit ihrer Außenwelt interagierenden Person auffassen. Umstände, unter denen sich das soziale Gegenüber weniger denn je in natura und umso öfter in Form elektronisch generierter Signale manifestiert, lassen die auf Instagram ausgegebene Devise „pics or it didn’t happen“ als …

Thomas Schütte und Ludger Gerdes: WEITER · WARTEN
Hello Darkness, my old Friend … Nachdem man das von landesväterlicher Seite prognostizierte, „härteste Weihnachten seit Gründung der BRD“ und dann noch das leiseste Silvester seit Erfindung des Polenböllers überstanden hat, hält der traditionell triste Januar und damit auch die Fortsetzung des ersten Seuchenjahrs ernüchternde Aussichten bereit. Das Kulturangebot hat sich nahezu restlos ausgedünnt, die Gastronomien geschlossen und das Programm der Streamingdienste gibt allmählich immer weniger her. Stattdessen kann man den immergleichen Gesichtern in abendlichen Talkshows bei der Auseinandersetzung ethischer Dilemmata zugucken, welche sich aus der Abwägung etwaiger Kollateralschäden einer …

Gehard Demetz & Desmond Lazaro: Identities
„Geisteswissenschaftler bewegen sich in einem Meer aus Wissen – mit zehn Zentimetern Tiefgang.“ Dieses Bonmot, mit dem eine Person aus meinem Freundeskreis im vorgerückten Stadium eines gemeinsamen Restaurantbesuchs einmal für Erheiterung gesorgt hat, könnte, soweit man nicht gerade mit überragenden kognitiven und intellektuellen Kapazitäten gesegnet ist, auch ein treffendes Berufscredo für all jene abgeben, die sich das Reden und Schreiben über die Kunst zur Aufgabe gemacht haben. Für den Fall, dass sich der eigene Kopf auch infolge redlicher Bemühung als ungeeignet herausstellt, um Inhalte ganzer Bibliotheksregale mit sich herumzutragen, ist es umso wichtiger, sich die gerade benötigten …

Ei Arakawa: Fees & Nerf
Kunstvermittlung ist eine sogenannte Sekundärdisziplin, die man insofern als etwas widersinnig ansehen könnte, als dass sich ihr praktischer Zweck in der Auseinandersetzung mit praktisch nichtzweckmäßigen Hervorbringungen anderer Personen erschöpft. So, wie man sich sein Thema nicht selbst ausdenkt sind auch die kreativen Spielräume, im Gegensatz zu jenen, derer sich Künstlerinnen und Künstler erfreuen, eher eng gesteckt. Man kann sich je nach Verfügbarkeit einen mehr oder weniger hohen Stapel sachbezogener Publikationen zu Gemüte führen und in Ergänzung zu Erkenntnissen, die sich aus der unmittelbaren Werkbetrachtung ergeben, eine selbstständige Herausarbeitung partikulärer …

Heike Kabisch / Jürgen Malcherek: White Rabbit
Es muss ungefähr einen Monat her sein, dass ich beim Laufen einen Blick von der Rheinkniebrücke auf das Mannesmannufer geworfen und eine regelmäßige Anordnung weißer Kreidekreise auf der dortigen Liegewiese entdeckt habe. Klarer Fall von Land-Art, dachte ich, gute Idee, zumal das Ganze auch von den Leuten, die sich vereinzelt in den Kreisen niedergelassen hatten, gut angenommen zu werden schien – soziale Plastik auch irgendwie, wobei es sich ja streng genommen um Malerei handelte. So oder so würde sich dieses Werk, soweit es noch länger existieren sollte, ins Programm meiner kunstvermittlerischen Rundgänge durch die Alt- und Carlstadt integrieren lassen. Ohnehin eignet sich die Ecke …

Hans-Peter Feldmann / Thomas Ruff / Juergen Staack
Unter dem gut klingenden Begriff „Flashbulb Memories“ oder „Blitzlichterinnerung“ bezeichnet man einen kognitiven Vorgang, im Zuge dessen sich die persönliche Situation im Augenblick der zur Kenntnisnahme weltverändernder Geschehnisse unwiderruflich ins Gedächtnis einbrennt. Personen, die zu Zeugen zeitgleicher Berichterstattung von Ereignissen wie der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, dem Fall der Berliner Mauer oder dem Einsturz des World Trade Centers geworden sind, wissen im Allgemeinen noch genau, wo sie waren und was sie gerade taten, als die diesbezüglichen Nachrichten sie erreichten. Wie es der Wortlaut bereits verdeutlicht, gleichen diese Erinnerungen Momentaufnahmen …

Jörn Stoya: Ne Me Quitte Pas
Hypochondrisch grundierte Befindlichkeitsbekundungen gehören grundsätzlich weniger zu der Kategorie von Äußerungen, die sich produktiv in kunstbezogene Fachtexte einbringen lassen. Umstände, unter denen sich kaum ein Handgriff tätigen lässt, ohne über gesundheitliche Konsequenzen für sich und andere nachzudenken, mögen eine diesbezügliche Ausnahme rechtfertigen, zumal es dieser Tage nicht nur um die kollektive Vermeidung einer potentiell lebensbedrohlichen Erkrankung, sondern auch um körperliche und psychische Beeinträchtigungen geht, welche infolge einer vom ständigen Sound mehr oder weniger alarmierender „Corona-News“ untermalten Stubenhockerei geradezu vorprogrammiert sind …