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Höhere Wesen bezahlen – Ei Arakawa: Fees & Nerf, Galerie Max Mayer
Kunstvermittlung ist eine sogenannte Sekundärdisziplin, die man insofern als etwas widersinnig ansehen könnte, als dass sich ihr praktischer Zweck in der Auseinandersetzung mit praktisch nichtzweckmäßigen Hervorbringungen anderer Personen erschöpft. So, wie man sich sein Thema nicht selbst ausdenkt, sind auch die kreativen Spielräume, im Gegensatz zu jenen, derer sich Künstlerinnen und Künstler erfreuen, eher eng gesteckt. Man kann sich je nach Verfügbarkeit einen mehr oder weniger hohen Stapel sachbezogener Publikationen zu Gemüte führen und in Ergänzung zu Erkenntnissen, die sich aus der unmittelbaren Werkbetrachtung ergeben, eine selbstständige Herausarbeitung partikulärer werkimmanenter oder kontextueller Aspekte vornehmen. Eine vergleichsweise aufschlussarme Variante besteht in diesem Zusammenhang darin, die besondere Bewandtnis eines Kunstwerks anhand eines Hinweises auf die allgemeine Etabliertheit seines Urhebers hervorzukehren. Namen bedeutender Museen oder imposante monetäre Größenordnungen können, soweit sie als signifikanter Indikator für Relevanz in den Vordergrund gerückt werden, einer Rezeptionsweise Vorschub leisten, infolge derer Preislisten und CVs als ausschlaggebende Faktoren der ästhetischen Beurteilung aufgefasst werden.
Exhibition view: Ei Arakawa – Fees & Nerf, Courtesy Galerie Max Mayer & der Künstler, photo: Katja Illner
Womöglich sind derlei Gepflogenheiten ein Grund, weshalb Künstlerinnen und Künstler so regelmäßig wie wohl sonst keine Angehörigen anderer Berufsgruppen mit der Frage danach behelligt werden, ob man denn von sowas eigentlich leben könne, welche im Klartext auf nichts anderes als eine Aufforderung zur Offenlegung der Einkommensverhältnisse hinausläuft. Eingedenk des hinlänglich bekannten Umstands, dass nur einer kleinen Minderheit mit der Ausübung einer bildnerisch-künstlerischen Tätigkeit ihren Lebensunterhalt und einer noch kleineren damit beträchtlichen Reichtum zu erwirtschaften vergönnt ist, dürfte eine solche Frage zumindest mit der Vermutung einhergehen, dass sie die Befragte oder den Befragten in Verlegenheit bringen könnte. Interessant daran ist, dass auf diese Weise keine kunstspezifische, sondern bestenfalls eine kunstsoziologische Fragestellung aufgeworfen wird, welcher im Hinblick auf eine authentisch-originäre Qualität eines Kunstwerks, wie sie gemeinhin von echten Künstlerinnen und Künstlern erwartet wird, keine besondere Wichtigkeit beigemessen werden sollte. Überspitzt könnte man auch sagen, dass der vornehmliche Job einer Künstlerin oder eines Künstlers darin besteht, gute Kunst zu machen und nicht darin, von dem zu leben, was sie oder er tut.
Angesichts der Tatsache, dass Erfolgsfixiertheit und Vergleichsmentalität vor dem Kunstbetrieb nicht unbedingt weniger Halt machen als vor anderen sozialen Bereichen, haftet derlei Überlegungen etwas rein Gedankenspielerisches an. Prinzipiell ließe sich davon ausgehen, dass es zuverlässigere Methoden gibt, sich einen gehobenen sozialen Status anzueignen und dass die Entscheidung für die Kunst daher eine idealistische Maßgabe beinhaltet, sich zumindest ansatzweise von dahingehenden Denkweisen zu emanzipieren. Da der Erfolg dieses Unterfangens letztlich von Personen und Institutionen abhängt, die der Anhäufung größerer Geldmengen eine umso höhere Priorität beimessen, erscheint es allerdings nicht weniger einleuchtend, dass die eigentliche Herausforderung eines Künstlerlebens mit der Wahrung künstlerischer Autonomie im Rahmen merkantiler Abhängigkeitsverhältnisse einhergeht. Letzteres sind Angelegenheiten, die im Gegensatz zur öffentlich zu besichtigenden Kunst dezent in den Hintergrund rücken und dementsprechend auch kein geläufiges künstlerisches Thema abgeben. Ein Alleinstellungsmerkmal ließe sich vor diesem Hintergrund an aktuellen Werken Ei Arakawas festmachen, die anlässlich der Neueröffnung der Galerie Max Mayer im Schmela Haus gezeigt werden. Formal knüpft das hier präsentierte Programm des 1977 in Fukushima geborenen und in Los Angeles wohnhaften Künstlers an seine 2018 im benachbarten Düsseldorfer Kunstverein gezeigte Ausstellung mit bildartigen, aus tausenden von Leuchtdioden zusammengesetzten Displays an, wobei sich auch inhaltlich ein roter Faden zeigt. Letzterer hat wiederum etwas damit zu tun, dass sich Ei Arakawas Tätigkeit über die Anfertigung von Exponaten in Form von derlei sogenannten LED-Malereien hinaus auch auf den Bereich der Performance erstreckt, und dass sich sein spezifischer Ansatz entscheidend aus der Herstellung wechselseitiger Bezüge zwischen der einen und der anderen Kunstgattung ergibt. Bisweilen fördert er dabei partikuläre Sichtweisen auf die Kunst zu Tage. So gab es in der besagten Ausstellung vor rund zwei Jahren blinkende Tierkreiskonstellationen zu sehen, derer sich nicht etwa das Horoskop realer Personen, sondern jenes denkwürdiger Auftritte berühmter Kolleginnen und Kollegen wie Andrea Fraser oder Tony Conrad entnehmen ließ.
Einer profaneren Thematik hat sich der Künstler während seiner jüngst vergangenen Werkphase zugewandt, im Zuge derer der nun im unteren Bereich des von Hans und Max Mayer gemeinsam bezogenen Gebäudes in der Mutter-Ey-Straße vorgestellte Werkzyklus entstanden ist. Auf einer kleinen Empore am Ende einer hinabführenden Treppe findet sich zunächst eine mit Gesang und elektronischen Klängen untermalte Videoinstallation, die aus einer Zusammenarbeit mit dem Literaten Dan Poston und dem Musiker ZALA hervorgegangen ist und die Pleite des kürzlich von Arakawas Eltern gegründeten Familienbetriebs vor dem Hintergrund der coronabedingten Insolvenzwelle dokumentiert. Filmaufnahmen zeigen ausrangiertes Inventar, während eine verfremdete Falsettstimme den ökonomischen Überlebenskampf in melodramatisch aufgeladene Worte fasst. Eine explizitere Auseinandersetzung mit persönlichen Finanzangelegenheiten zeigt sich in einer Reihe der bereits beschriebenen elektronischen Bildträger, welche diesmal Darstellungen von Münzen erkennen lassen und genauen Aufschluss über die vom Künstler für einzelne Performances erhaltenen Honorare geben. Die diesbezügliche Information ist insofern nicht ganz einfach nachzuvollziehen, als dass sich die im Laufe einer Minute gezeigten Münzen auf einen pro Arbeitsminute umgerechneten Teilbetrag summieren. Die auf diese Weise suggerierte Vorstellung, die mit Arakawas Projekten einhergehenden Geschäftsvorgänge in Echtzeit und gleichsam groschenweise mitverfolgen zu können, erzeugt ein Moment der Unmittelbarkeit, welches angesichts einer bildnerisch-künstlerischen Position ziemlich ungewöhnlich ist. Dass es mit dem Geldverdienen nicht so einfach funktioniert, wie manch einer es bei Künstlerinnen und Künstlern von vergleichbarem Renommee voraussetzen würde, ist wiederum eine Feststellung, die sich aus den sperrigen Werktiteln und den darin enthaltenen Informationen zum zur Vorbereitung der jeweiligen Aktion betriebenen Zeitaufwand ableiten lässt.
Ei Arakawa: Paris & Wizard (Duration: 60 min x3, & approx. 120 hours on preparation, Honorarium: 5,000 USD, 0.67 USD per minute), 2020, 80 cm diameter, 4364 LED (WS2813 100/m black) on hand-dyed fabric with grommets, 1 T300-K Controller, 1 SD card (2GB) with 1 LedEdit 2014 data (.led), 2 5V40A power supplies with 22 AWG stranded wire, Courtesy Galerie Max Mayer & der Künstler, Photo: Katja Illner
So wie die eingangs vor sich hin konstatierten Gegebenheiten stellt auch der Grundsatz, wonach ein entscheidendes Distinktionsmerkmal guter Kunst mit der Initiierung neuer Denk- oder Wahrnehmungsweisen einhergeht, keine besonders hervorhebenswerte Einsicht dar. Die Bereitschaft, sich auf solcherlei Ansätze einzulassen, erfordert, neben einem Sinn für ästhetische Qualitäten, auch die Muße, sich in progressiven Ideen unterweisen zu lassen, was als Erstes die bedingungslose Akzeptanz des Künstlers als autonomen Akteur voraussetzt. Eine Abweichung von diesem rezeptionsästhetischen Schema zeigt sich bei Ai Arakawa wiederum darin, dass er statt einer implizit oder explizit ins Werk gesetzten Autonomiebekundung ein Moment der Durchlässigkeit herbeiführt, welches einen Blick auf darüber hinausgehende, mitunter prekäre utilitaristische Zusammenhänge offenbart. Ei Arakawa schlägt damit einen imponierenden kunstdidaktischen Haken, der auch angesichts einer nicht zuletzt schön anzuschauenden und handwerklich recht elaborierten Ausführung zum Anlass eines Antrittsbesuchs bei den Mayers genommen werden sollte.
Ei Arakawa:
Fees & Nerf
Galerie Max Mayer
Mutter-Ey-Strasse 3
40213 Düsseldorf
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Samstag 12-18 Uhr