Florian Kuhlmann: Rational thinking is boring, 2021, Courtesy Galerie Wundersee und der Künstler, Foto: Andreas Wundersee
OK Computer – Florian Kuhlmann,
Gretta Louw, Sebastian Schmieg:
AUTOMATIC DREAMS, Galerie Wundersee
LOAD“*“,8,1 lautete der erste und für lange Zeit einzige Eingabebefehl, den ich an einer Computertastatur getätigt habe, um an einem nicht zuletzt zu Lernzwecken erhaltenen und fortan dezidiert zu Nichtlernzwecken eingesetzten C64 Spiele wie beispielsweise Gauntlet oder Great Giana Sisters ans Laufen zu bringen und unter regelmäßiger Vernachlässigung meiner Hausaufgaben den Nachmittag zu vertun, wobei das enthusiastische Joystick-Gerüttel immer und entscheidend durch den ästhetischen Reiz des synchron in bröseliger 8-Bit-Grafik stattfindenden Bildschirmgeschehens motiviert wurde. Legt man die beeindruckende Geschwindigkeit, mit der sich die Qualität von IT-Produkten seitdem verbessert hat, als Indikator für allgemeinen zivilisatorischen Fortschritt zugrunde, glaubt man, an einem signifikanten Evolutionsvorgang partizipiert zu haben, wobei sich gerade im Hinblick auf diesen Bereich besonders differenzierte zeitkoloristische Nuancen herausarbeiten lassen. Unabhängig davon, ob man die Anmutung digital erzeugter Medieninhalte, schnelllebige Spielarten des Industriedesigns oder weitere damit einhergehende Äußerlichkeiten zum Gegenstand einer diesbezüglichen Rückschau macht, scheinen sich modernistische Gestaltungsweisen jüngst vergangener Epochenabschnitte als formensprachliche Stilblüten mit geringer Halbwertszeit herauszustellen, anhand derer Angehörige der Generationen X, Y und demnächst voraussichtlich auch Z bereits in noch jungen Jahren ihre eigene Historisierung im Zuge pünktlich aufeinanderfolgender Retro-Zyklen miterleben dürfen.
Auch wenn sich dieses Wechselspiel aus innovativem Furor und bisweilen ironisch gebrochener Reminiszenz beliebig oft wiederholen könnte, zeichnet sich, insbesondere für jene, denen das nicht ganz neu sein mag, ein gewisser Sättigungseffekt ab: Einerseits scheinen, wie beispielsweise bei der Auflösung von Digitalkameras, die Grenzen sensorisch wahrnehmbarer Optimierbarkeit allmählich ausgereizt, andererseits ist die hier zugrunde gelegte Lesart eines etwaigen Fortschrittsnarrativs eine etwas oberflächliche. Koinzident zu einem kollektiven Aufmerken, welches sich in Anbetracht einer ungut zutage tretenden Alternativlosigkeit zwischen utopischen und dystopischen Zukunftsaussichten vollzieht, richtet sich eine seit einiger Zeit zunehmende Aufmerksamkeit auf tieferliegende soziokulturelle Implikationen, die eingedenk eines Umgangs mit den längst omnipräsenten Technologien einen richtungsweisenden Ausschlag geben könnten. Paradigmatisch voranstellen ließe sich zunächst die Feststellung, dass die historische Gleichzeitigkeit von Digitalisierung und Marktradikalismus einen globalisierten Monopolkapitalismus befördert, welcher spätestens mit dem pandemiebedingten Strukturwandel Formen neu anbrechender Herrschaftsverhältnisse angenommen und schlussendlich auch eine weitere Deregulierung des Kunstmarkts herbeigeführt hat.
Florian Kuhlmann: Only the bots know the truth, 100 x 70cm, Courtesy Galerie Wundersee und der Künstler, Foto: Andreas Wundersee
Begünstigt durch einen ins Stocken geratenen Personen- und Warenverkehr und dessen empfindliche Auswirkungen auf den konventionellen Kunstbetrieb, hat so auch die bislang öffentlich wenig beachtete Werkgattung kryptographisch generierter Artefakte einen ungezügelten Popularitätsschub erfahren. Mitinitiiert durch mediale Rezeption wie jene bezüglich eines vormals weitgehend unbekannten Künstlers, welcher sich mit dem Verkauf eines NFTs in die höchsten Regionen aktueller Rankings katapultiert hat, sind unterdessen Verhältnisse entstanden, angesichts derer kunstsoziologische und -didaktische Selbstverständlichkeiten grundlegend infrage gestellt sind. Neben der Feststellung, dass innerhalb eines so neu entstandenen Geschäftsfelds die Hervorbringungen berühmter Künstler*innen in den gleichen preislichen Größenordnungen wie jene kunstfern sozialisierter Urheber gehandelt werden und gewohnte Distinktionskriterien zwischen U- und E-Kultur nicht länger maßgeblich erscheinen, drängt sich hier die Überlegung auf, inwiefern der diesen Werken inhärente Unikatwert beispielsweise mit jenem eines Gemäldes oder einer Plastik gleichzusetzen und inwiefern es demnach zulässig sei, NFTs den Rang einer vollwertigen Kunstgattung beizumessen.
Ungeachtet dessen, dass Kunstwerken ohnehin kaum etwas Besseres passieren kann, als eine flächendeckende Kontroverse um ihre künstlerische Berechtigung auszulösen und vergleichbare Diskussionen hinsichtlich des generellen Stellenwerts von Computerkunst in etwa so alt sind wie die eingangs erwähnten Unterhaltungserzeugnisse, bleibt dahingestellt, ob diese Frage sinnvoll mit ja oder nein beantwortet werden kann. Interessanter könnte es hingegen sein, die neu entstandene Konstellation miteinander konkurrierender Kulturtechniken und -disziplinen mit etwas Abstand zu betrachten und einmal zu gucken, ob in diese Richtung schon etwas Kluges, bestenfalls über den zeitgeschichtlichen Tellerrand Hinausweisendes gesagt worden ist. Einen weiten kulturhistorischen Bogen schlägt unter diesen Gesichtspunkten der bis vor Kurzem als Rektor der Kölner Kunsthochschule für Medien tätige Kunsthistoriker und Philosoph Hans Ulrich Reck, welcher in einem 2007 publizierten Essay einen Zusammenhang zum Renaissance-Topos eines Hierarchiestreits unter den klassischen Kunstgattungen herstellt und dabei zu dem Schluss gelangt, dass eine wissenschaftliche Einordnung mittels neuer Medien entstehender Kunst gerade nicht nach tradierten Maßgaben funktioniere.1 Der Grund dafür, warum das an dieser Stelle herangezogene Vergleichsschema zu kurz greife, bestehe demnach darin, dass ein elektromagnetisch aufgezeichnetes Bild kein Objekt, sondern lediglich die objekthafte Anmutungsweise eines bis auf Weiteres fortdauernden und dabei nicht unveränderlichen Vorgangs sei. Folgerichtig sei ein angemessener ästhetischer Umgang mit daraus resultierenden Möglichkeiten nicht weniger an der vordergründigen Ausgestaltung des durch diese Vorgänge an die Oberfläche Gebrachten, als an konzeptuellen Qualitäten festzumachen, die sich in der individuellen Zunutzemachung entsprechender Abläufe offenbare.
Gretta Louw: Speculations on the Cloud 1, 2017, Digitalcollage auf Acrylstoff und Alurahmen, 118 x 75cm, Courtesy Galerie Wundersee und die Künstlerin, Foto: Andreas Wundersee
Über die damit angestoßenen Rechenoperationen hinaus geht jede Interaktion mit digitalen Geräten mit kulturellen, wirtschaftlichen oder politischen Prozessen einher, weshalb es naheliegt, den persönlichen Fokus bei der sukzessiven Ausschöpfung technologischer Potentiale auf die diesbezügliche Wahrnehmung respektive der sich daraus ergebenden Denk- und Verhaltensoptionen zu richten. Davon, wie so etwas in Zeiten einer von Sprachassistenzsystemen, intelligenten Haushaltsgeräten und eigens zugeschnittenen Filterblasen usurpierten Alltagsroutine aussehen kann, lässt sich sich dieser Tage in der kürzlich am Fürstenwall eröffneten Galerie Wundersee ein vielgestaltiger Eindruck verschaffen; vielgestaltig zunächst insofern, als dass sich hier, genauer gesagt in den ehemaligen Räumlichkeiten einer alten Apotheke, mit Werken von Florian Kuhlmann, Gretta Louw und Sebastian Schmieg drei Positionen gegenübergestellt finden, die sich mit derlei programmatischen Aspekten vielfältig in Einklang bringen lassen. Um einen in Düsseldorf gut bekannten Spezialisten für die hier behandelten Sachverhalte handelt es sich bei Florian Kuhlmann, dessen künstlerische Arbeit dicht mit publizistischen und kuratorischen Tätigkeiten rund um das Thema aktueller Medienkunst verwoben ist, und dessen gleich beim Eintreten ins Auge springende Installation auf Anhieb an hausbesetzerhafte Formen der Wandverschönerung denken lässt. Gleich einer revolutionären Parole tut ein an dieser Stelle mit ungestümem Gestus aufgemalter Schriftzug die Ablehnung rationaler Denkweisen kund, welche sich inhaltlich nicht eindeutig mit den Motiven augenscheinlich wild aufplakatierter Abbildungen übereins bringen lässt. Ohne sich diesbezüglich auf eine fixe Auslegung festlegen zu lassen, evoziert das bricolage-artige Zusammenspiel mit den nach Art digitalen Found-Footage-Materials verwendeten Motiven einer Fibonacci-Kurve und einer Weltraumteleskop-Aufnahme nebst erratisch wirkender Notizen die Vorstellung eines turbulenten Gedankenstroms, zu welchem es auch anlässlich abseitig-ausufernder Netzrecherchen kommen kann.
In ähnlich spielerischer Weise wie Florian Kuhlmann die Ambivalenz des Internets als großartigen Ort der Wissensvernetzung und Kampfplatz sich selbst affirmierender Privatweltanschauungen vor Augen führt, nimmt er anhand bisweilen vertrauter Motive irritative Momente im wechselseitigen Miteinander menschlicher und künstlicher Intelligenz in den Blick. Allen voran hat Karl Klammer, welcher einigen älteren Windows-Usern noch als in früheren Versionen auftauchendes Helferlein in Erinnerung geblieben sein dürfte, in einem überdies zu besichtigenden Bild Zweifel anzumelden, ob das in die Perspektive einer am Rechner sitzenden Person versetzte Gegenüber tatsächlich existiere, und ob somit auch die kategorische Subjekt-Objekt-Relation zwischen Mensch und Computer nicht nochmal zu überdenken sei. Einer Variante des visuellen Samplings entsprechend funktioniert die verschiedentlich von diesem Künstler hervorgebrachte Kombination aus graffitiartiger Tagline und der im Kontext digitaler Medien gebräuchlichen Emblematik als eine mit einfacher Geste vermittelte Eröffnung ungewohnter Sichtweisen. Die allegorische Gleichsetzung des Internets mit einem gemeinsam durchlebten Traum, welche sich in einem seiner weiteren Werke findet, lässt so gleichsam offen, inwieweit die hier hergestellte Analogie bezüglich virtueller und unterbewusster Sphäre eingedenk eher positiver oder negativer Vorstellungen zu deuten sei.
Gretta Louw: They Learn Like Small Children, 2019, Digitale Stickerei und Digitalprint auf Leinen, 185 x 132 cm, Courtesy Galerie Wundersee und die Künstlerin, Foto: Andreas Wundersee
Gleichwohl es formal keine Übereinstimmung gibt, zeigt sich in der Tendenz, die hier erkundeten Phänomene mit einem gewissen Mysterium aufzuladen, eine signifikante Parallele zu jener Art der perzeptiven Annäherung, wie sie wiederum in den Darstellungen Gretta Louws zum Vorschein kommt. Passend zu einem reichhaltigen biographischen Werdegang, welcher die in Südafrika aufgewachsene Künstlerin, Kuratorin und Autorin nach diversen internationalen Stationen schließlich nach Deutschland geführt hat, tut sich in Selbigen sowohl eine motivische Fülle wie auch ein weites Spektrum gedanklicher Prämissen auf. Die begrifflich bereits ins Spiel gebrachte Traummetapher findet dabei eine visuelle Entsprechung in einer sich vor dem Hintergrund artifizieller Wolkenlandschaften tummelnden Quallenpopulation, anhand derer sich die von der Künstlerin erklärte Absicht, technoide und organische Strukturen zum Gegenstand einer ganzheitlichen Betrachtung zu machen, auch hinsichtlich hierbei anklingender philosophischer Ideen verdeutlichen lässt; ähnlich wie aus menschengemachten Schaltkreisen eine neue und ihrem innersten Wesen nach nicht gänzlich ergründbare Intelligenzform erwächst, begegnet uns in dem lichtdurchlässigen Meeresorganismus ein bei aller rationalen Erfassbarkeit nicht minder rätselhaftes Individuum.
Eine symbolistische Bildsprache beibehaltend lassen einige ihrer auf Stoff applizierten Digiprints farbig-mäandernde Stickereien erkennen, welche zum Einen die Ähnlichkeit biologisch und zivilisatorisch bedingter Netzgebilde sinnfällig machen und zum Anderen kulturhistorische Referenzen zu den in der Textilindustrie verorteten Ursprüngen heutiger Programmiersprachen aufzeigen. Der bis dahin kultivierte Grundsatz, die Kunst als allseits zugängliches Medium zur Sichtbarmachung wissensübergreifender Gesamtzusammenhänge einzubringen, offenbart sich, diesmal unter dezidiert soziologischen Maßgaben, auch innerhalb eines großformatigen Bildes, welches unter Verwendung einer KI entstanden ist. Zeichenhafte Figurationen, die sich hierin ausmachen lassen, stammen aus einer Zeichnung von Gretta Louws fünfjährigen Sohn, welche die Künstlerin durch eine sich selbstständig weiterentwickelnde Software hat bearbeiten lassen. Wie es der Titel „They learn like small Children“ bereits zum Ausdruck bringt, liegt es nahe, die didaktischen Fortschritte beim Heranwachsen eines Kindes mit jenen eines algorithmisch determinierten Programms in Relation zu setzen, und sich zugleich der Frage zuzuwenden, inwieweit sich die dynamische Entwicklung der KI gemäß einer pädagogischen Sozialisation in eine menschengerechte Richtung bringen ließe.
Sebastian Schmieg: How To Give Your Best Self Some Rest, 2021, Video-Loop, 4min 35sek, Courtesy Galerie Wundersee und der Künstler, Foto: Andreas Wundersee
Bezüglich des Anliegens, den in immer höherem Maße personale Züge annehmenden Maschinen einen humanistisch gefärbten Blick entgegenzubringen, weist Gretta Louws Herangehensweise eine Nähe zu derjenigen Sebastian Schmiegs auf, wenngleich auch bei ihm eine unterschwellige Lakonie mitschwingt. Gleichermaßen könnte man auch von einem Realitätscheck sprechen, wenn der in Berlin und Dresden ansässige Künstler und Autor unter anderem am Beispiel eines Staubsaugerroboters herausstellt, dass es mit den von entsprechenden Apologeten propagierten Idealvorstellungen einer vollends durchdigitalisierten Lebenswelt bislang nicht weit her sei. So oder ähnlich könnte zumindest eine zentrale Konklusion aus einer offensichtlich nicht ganz humorfei intendierten Videoarbeit lauten, in welcher diverse KI-gesteuerte Geräte mit schlicht animierten Comicgesichtern unkonventionelle Coachingtipps für ein besseres Leben bereithalten. Entgegen etwaiger Selbstoptimierungsstrategien, an welche dahingehend zugeschnittene Ratgeber gerne ihre Glücksversprechen knüpfen, eignen sich die hier ausgegebenen Devisen allerdings umso weniger als dahingehende Motivationshilfe, sondern eher als Aufforderung, sich mithilfe des hochtechnisierten Zubehörs zu prokrastinösen Gewohnheiten verleiten zu lassen.
Neben der beiläufig insinuierten Tatsache, dass sich die im Rahmen kurzer Sequenzen in Szene gesetzten Utensilien in Wirklichkeit nur bedingt als praxistauglich erweisen, mischt sich in den dabei angeschlagenen Grundtenor auch eine sachlich fundierte Kritik, welche Sebastian Schmieg in einem zu diesem Anlass publizierten Essay weiter ausführt.2 Vor dem Hintergrund der hier enthaltenen Auskünfte, wonach die derlei Apparaturen inhärenten Funktionen grundsätzlich auf endlosen und zumeist in prekären Arbeitsverhältnissen vorgenommenen Trackinganalysen basieren, werden dabei auch diesbezügliche Benutzungsmodalitäten mit einer intellektuellen Abstumpfung in Verbindung gebracht. Eine ausgiebige Dokumentation dessen, was den Künstler an dieser Stelle von „mühsamer Intelligenz“ sprechen lässt, findet sich derweil in einem der Länge nach raumfüllenden Leporello, in welchem er gemeinsam mit dem befreundeten Kollegen Silvio Lorusso hunderte im Internet gebräuchliche Sicherheitsabfragen per Screenshot festgehalten und aneinandergereiht hat.
Sebastian Schmieg: This is the Problem, the Solution, the Past and the Future, 2017, konzeptioneller Datensatz, Wandtapete, variable Größe, Courtesy Galerie Wundersee und der Künstler, Foto: Andreas Wundersee
Räumlich separiert ist ein weiteres nicht weniger umfangreiches Werk Sebastian Schmiegs zu sehen, welches sich aus 2931 Fotos zusammensetzt und sich in anderer Weise mit der Taxonomierung menschlicher Affekte auseinandersetzt. Ursprünglich präsentiert wurden die hier verwendeten Bilder auf der Webseite der Londoner Photographer’s Gallery, wo die Betrachterinnen und Betrachter angesichts jedes Einzelnen unter den Begriffen „Problem“, „Lösung“, „Vergangenheit“ und „Zukunft“ denjenigen auswählen konnten, welchen sie am Ehesten mit dem jeweiligen Motiv assoziierten. Die rezeptive Situation, welche sich nun unter Hinzufügung der dabei registrierten Klickzahlen ergibt, scheint es ohne Weiteres möglich zu machen, wie eine KI kollektive Wahrnehmungsweisen zu erfassen und macht zugleich das Problem deutlich, dass ein derartiges Auswertungsverfahren keinerlei Zwischentöne zulässt und so auch zu fälschlichen Auslegungen führen kann. Bei einer abschließenden Inspektion des gesamten hier zusammengetragenen Programms bleibt festzustellen, dass es genau solche Zwischentöne sind, welche die drei Künstler*innen, bei aller offenkundigen Verbundenheit zu den digitalen Medien in bildnerische Aussagen fassen. In freier Anlehnung an die vom Biologen und Evolutionsforscher Edward Osborne Wilson in lapidaren Worten auf den Punkt gebrachte Erkenntnis, dass sich die Menschheit im gegenwärtigen Stadium als eine Gemeinschaft von Individuen mit „steinzeitlichen Emotionen, mittelalterlichen Institutionen und gottgleicher Technologie“ darstellt, ließe sich eine der Gesamtheit des hier Gezeigten nach umrissene Fragestellung mit der Überlegung übereinbringen, wie sich eine Angleichung dieser anthropologischen Konstanten vorzustellen sei.
Den ein oder anderen Anhaltspunkt für eine darauf lautende Antwort gibt die Ausstellung direkt selbst, wobei es zunächst voranzustellen gilt, dass sich Florian Kuhlmann, Gretta Louw und Sebastian Schmieg hier nicht als strahlende Wegbereiter einer neuen Kulturepoche gerieren, sondern sich mit einer neugierig-hinterfragenden und in unterschiedliche Richtungen spezifizierten Haltung an die Seite einer nicht unkritischen Öffentlichkeit stellen. Mithin vermittelt sich über die diversitäre Anmutung des hier Dargebotenen eine Ahnung, dass das gesamtgesellschaftliche Vorhaben einer bis in die letzten Lebensbereiche vordringenden Digitalisierung nur unter pluralistischen Maßgaben positive Formen annehmen dürfte, und dass das Ganze eingedenk solcher sogar Spaß machen könnte. Unter ähnlichen Vorzeichen gehen die hier zusammengekommenen Protagonist*innen auch das von vielen nicht ohne Argwohn beäugte Thema NFTs an, was, wie genau wird noch nicht verraten, im Rahmen einer unter aktiver Einbeziehung der stetig wachsenden Besucherschaft geplanten Aktion am 12. Februar stattfinden soll. Kunstguckerinnen und -gucker, die dies noch nicht getan haben, sollten sich dies zum Anlass nehmen, selbst zu schauen, was aus der alten Apotheke geworden ist und sich angesichts des hier Besprochenen wiederum ihren eigenen Eindrücken hingeben, was nicht bedeutet, dass man sich nicht weiterhin mittels regelmäßig aufpoppender Retrospektakel wie Stranger Things oder The Billion Dollar Code in bröselige Zeiten zurückbeamen lassen kann.
Florian Kuhlmann, Gretta Louw, Sebastian Schmieg:
AUTOMATIC DREAMS
3. Dezember 2021 – 26 Februar 2022
GALERIE WUNDERSEE
Fürstenwall 124
40217 Düsseldorf
www.galerie.wundersee.com
Öffnungszeiten:
Mittwoch bis Freitag von 12 bis 18 Uhr
Samstag von 12 bis 16 Uhr
Fußnoten
- Vgl. Hans Ulrich Reck: Der Streit der Kunstgattungen im Kontext der Entwicklung neuer Medientechnologien, in ders.:Das Bild zeigt das Bild selber als Abwesendes, Wien 2007, S. 11 ff.. Online nachlesbar unter den E-Publikationen der KHM
- Sebastian Schmieg: Ist es an der Zeit, dass wir es „mühsame Intelligenz“ nennen?, Vortrag im Rahmen des vom Goethe-Institut initiierten interdisziplinären Forschungsprojekts Kulturtechniken 4.0, Oktober 2020
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