Christopher Lehmpfuhl: Vor Ort. Neue Bilder

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Sonniger Weg am Weinberg, Vallocaia, Öl auf Leinwand, 2016, 80 x 100 cm, ©Christopher Lehmpfuhl, Courtesy Galerie Ludorff, Foto: Florian Selig

Impastierte Wirklichkeit – Christopher Lehmpfuhl: Vor Ort. Neue Bilder, Galerie Ludorff

Far­be be­zeich­net ge­mein­hin ei­ne op­ti­sche Qua­li­tät phy­si­scher Er­schei­nun­gen wie auch ei­ne aus Pig­men­ten und Bin­de­mit­teln be­ste­hen­de Sub­stanz, wo­bei Letz­te­res seit je­her zur bild­li­chen Wie­der­ga­be von Ers­te­rem ver­wen­det wird. Im Zu­ge die­ses Vor­gangs wird die Far­be zum zwei­deu­ti­gen Me­dium, wel­ches zwi­schen der ei­ge­nen Be­schaf­fen­heit und der An­mu­tung des Dar­ge­stell­ten os­zil­liert. Selbst- und Fremd­re­fe­ren­tia­li­tät bil­den al­so dem Mal­ma­te­rial in­hä­ren­te Fak­to­ren, aus de­ren Zu­sam­men­spiel sich maß­geb­li­che qua­li­ta­ti­ve Merk­ma­le er­ge­ben. Dass da­hin­ge­hen­de Kri­te­rien e­ben­so wie die ih­nen zu­grun­de­lie­gen­den Kon­ven­tio­nen ei­nem suk­zes­si­ven Wan­del un­ter­lie­gen, lässt sich am Bei­spiel kunst­ge­schich­tli­cher Um­brü­che wie dem Be­ginn der klas­si­schen Mo­der­ne ver­deut­li­chen.

Wintertag am Brandenburger Tor, Öl auf Leinwand, 2018, 160 x 180 cm, ©Christopher Lehmpfuhl, Courtesy Galerie Ludorff, Foto: Uwe Walter

Die bis im 19. Jahr­hun­dert vor­herr­schen­de Mei­nung, dass ei­ne au­then­ti­sche Bild­wir­kung durch das of­fe­ne zu­ta­ge Tre­ten des Farb­auf­trags be­ein­träch­tigt wer­de, ging mit ei­ner e­xak­ten Re­gle­men­tie­rung ma­le­ri­scher Tech­ni­ken ein­her. Ein Ge­mäl­de galt dem­nach erst dann als voll­en­det, wenn des­sen O­ber­flä­che ab­schlie­ßend von Un­e­ben­hei­ten be­rei­nigt wurde. Ei­ne Ü­ber­win­dung solch alt­her­ge­brach­ter A­ka­de­mis­men zeich­ne­te sich zu­nächst in der pro­gres­si­ven Land­schafts­ma­le­rei von Küns­tlern wie John Cons­ta­ble, Wil­liam Tur­ner o­der den Ver­tre­tern der Schu­le von Bar­bi­zon ab, de­ren Ten­denz zu ei­nem pas­to­sen Duk­tus in den Wer­ken Vin­cent van Goghs und ei­ni­ger Im­pres­sio­nis­ten ei­ne wei­te­re In­ten­si­vie­rung er­fuhr.1 Die da­durch mit­i­ni­ti­ier­te Neu­de­fi­ni­tion des Bil­des als räum­li­ches Ob­jekt und der Far­be als plas­ti­sches Ge­stal­tungs­mit­tel warf Fra­ge­stel­lun­gen auf, de­ren kunst­the­o­re­ti­sche Re­le­vanz noch lan­ge fort­be­ste­hen soll­te.2

Ortler, Öl auf Leinwand, 2006, 120 x 100 cm, ©Christopher Lehmpfuhl, Courtesy Galerie Ludorff, Foto: Uwe Walter

Rund hun­dert­fünf­zig Jah­re spä­ter schei­nen sich die Vor­zei­chen ver­kehrt zu ha­ben – in ei­ner E­po­che, in der die Hin­ter­fra­gung äs­the­ti­scher Nor­men längst selbst zur Norm ver­kom­men ist, kön­nen ver­meint­lich alt­mo­di­sche An­sät­ze zu neu­en Al­lein­stel­lungs­merk­ma­len a­van­cie­ren. Ei­ne ent­spre­chen­de Di­a­lek­tik lässt sich bei­spiels­wei­se hin­sich­tlich der Frei­licht­ma­le­rei kons­ta­tie­ren, wel­che, gleich­wohl als kon­ven­tio­nell gel­tend, eine Aus­nah­me im zeit­ge­nös­si­schen Kunst­be­trieb dar­stellt. Im Kon­text der er­läu­ter­ten Um­stän­de er­scheint das bis­he­ri­ge Werk Chris­top­her Lehm­pfuhls, von dem man sich der­zeit in der Ga­le­rie Lu­dorff ei­nen Ein­druck ver­schaf­fen kann, zu­gleich als so­li­tä­re Po­si­tion wie auch als Wei­ter­füh­rung his­to­risch tra­dier­ter An­sät­ze. Der Ber­li­ner Ma­ler be­gibt sich re­gel­mä­ßig mit sper­ri­ger Aus­rüs­tung in länd­li­che oder städ­ti­sche Ge­gen­den, um die dor­ti­gen Land­schaf­ten in glei­cher­ma­ßen o­pu­len­ten Bild­nis­sen fest­zu­hal­ten.

Wintersonne am Lietzensee, Öl auf Leinwand, 2018, 80 x 120 cm, ©Christopher Lehmpfuhl, Courtesy Galerie Ludorff, Foto: Uwe Walter

Beim Be­tre­ten der Aus­stel­lung liegt der schwe­re Ge­ruch von Öl­far­be in der Luft, wel­cher auf­grund der som­mer­li­chen Tem­pe­ra­tu­ren ver­stärkt zur Ent­fal­tung kommt. Dass der Küns­tler die Sel­bi­ge nicht ge­ra­de spar­sam ver­wen­det, son­dern mit blo­ßen Hän­den zu teils zent­ner­schwe­ren Re­liefs auf­türmt, zeigt sich in groß­for­ma­ti­gen Dar­stel­lun­gen, in de­nen die Land­schaf­ten ei­nem buch­stäb­lich ent­ge­gen­kom­men. Ent­ge­gen der An­nah­me, dass es sich hier um ei­ne e­her un­ge­nau­e Ar­beits­wei­se han­deln könn­te, er­wei­sen sich die ü­ber­wie­gend in Ber­lin, der Tos­ka­na und ver­schie­de­nen Al­pen­re­gio­nen ent­stan­de­nen An­sich­ten als be­mer­kens­wert re­a­lis­tisch, was sich so­wohl an ei­ner kon­sis­ten­ten Licht­be­hand­lung wie an er­staun­lich dif­fe­ren­zier­ten, im De­tail er­kenn­ba­ren Tex­tu­ren fest­macht. Tak­ti­le und vi­su­el­le Mo­men­te grei­fen da­bei in ei­ner Wei­se in­ei­nan­der, die sich wei­ter­hin im Zu­sam­men­spiel zwi­schen der ma­le­risch nach­emp­fun­de­nen Raum­tie­fe und der re­a­len Plas­ti­zi­tät des Ma­te­rials of­fen­bart. Wie in dem zu die­sem An­lass pub­li­zier­ten Ka­ta­log dar­ge­legt wird, ver­dankt sich die au­then­ti­sche, gleich­sam ü­ber meh­re­re Sin­ne ver­mit­tel­te Wir­kung den e­ben­so ganz­heit­li­chen Land­schafts­er­leb­nis­sen, wel­che sich im Zu­ge der bis­wei­len stra­pa­ziö­sen Ex­pe­di­tio­nen er­ge­ben.3

Abendlicht am Potsdamer Platz, Öl auf Leinwand, 2018, 190 x 150 cm, ©Christopher Lehmpfuhl, Courtesy Galerie Ludorff, Foto: Uwe Walter

Chris­top­her Lehm­pfuhls Bil­der kön­nen zeit­wei­se auch den ei­ge­nen Blick auf die Re­a­li­tät ver­än­dern. Wäh­rend ich auf dem Weg nach Hau­se zwi­schen Lu­xus-Bou­ti­quen und Ca­fé­ter­ras­sen ent­lang­ge­he, stel­le ich mir vor, dass die Fas­sa­den, die Bäu­me und die Au­tos ih­ren Ag­gre­gat­zu­stand von fest in dick­flüs­sig än­dern, dass ih­re O­ber­flä­chen schrun­dig und schlie­rig wer­den und dass die Far­ben der Din­ge in­ei­nan­der zu ver­lau­fen be­gin­nen. Um mich zu ver­ge­wis­sern, dass die Kö­nigs­al­lee nicht gleich zu ei­ner bun­ten Ge­samt­mas­se ver­schmilzt, fas­se ich an ei­ne Haus­wand, wo­bei ich har­ten und trocke­nen Ze­ment un­ter den Fin­gern spü­re. Trotz­dem ha­be ich da­nach das Ge­fühl, Öl­far­be an mei­nen Hän­den zu ha­ben.

Christopher Lehmpfuhl
Vor Ort. Neue Bilder

21. Juni – 25. August 2018

Galerie Ludorff
Königsallee 22
40212 Düsseldorf

Öffnungszeiten:

Dienstag bis Freitag 10h-18h
Samstag 11h-14h

Lernen Sie mit uns die Düsseldorfer Galerienszene kennen! Artesarticulo ist ein Verbund langjährig erfahrener Kunstvermittler/innen, die sich die Erkundung der aktuellen Ausstellungen im Zuge individueller Rundgänge zur Aufgabe macht. Diese werden in Kooperation mit der Düsseldorf Tourismus GmbH auch in Form öffentlicher Führungen angeboten.

Fußnoten

  1. Vgl. Krüger, Matthias: Das Relief der Farbe, München/Berlin 2007, S. 14 ff..
  2. Vgl. Wagner, Monika (Hrsg.): Lexikon der künstlerischen Materials, München 2010, S. 78 ff.
  3. Vgl. Gädeke, Thomas: Christopher Lehmpfuhl, in: Ludorff, Rainer M. / Ludorff, Manuel (Hrsg.): Christopher Lehmpfuhl – Vor Ort. Neue Bilder, 2018 Düsseldorf, S. 7.

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