Installation view Vivian Greven, BUDUMN, Setareh Gallery 2017 (c) Photography: Ivo Faber
Du Eros, ich Ramazzotti – Vivian Greven: BUDUMN, Setareh Gallery
Das Ausleben des eigenen Eros durch physische Handlungen oder durch bloße Gedanken und Gefühle ist eine private Angelegenheit. Die Konfrontation mit einer kollektiven Sexualität geschieht hingegen öffentlich. Eine kaum noch verarbeitbare Fülle medial übermittelter Bilder und Botschaften steht für eine exzessive Profanisierung des Sexuellen, die das Private nicht unverändert lässt. Das Filigrane und Individuelle wird dabei vom Rohen und vom Pauschalen überspielt. Um zu verstehen, dass eine Entwöhnung vom Expliziten eine Option zur Sensibilisierung darstellt, bedarf es unter Umständen eines Schlüsselerlebnisses, einer zugleich privaten und öffentlichen Situation, die zu einer stressfreien Reflexion über derlei Innerlichkeiten animiert.
Vivian Greven, Leea, 2017. Courtesy die Künstlerin. Photo: Vivian Greven
Ob Vivian Grevens Gemälde, Zeichnungen und Plastiken eine solche Situation herbeizuführen vermögen, ist eine Frage, mit der sich Besucherinnen und Besucher der Setareh Gallery derzeit befassen können. Die 1985 geborene und als Meisterschülerin von Sigfried Anzinger graduierte Künstlerin zeigt dort Darstellungen zwischenmenschlicher Annäherungen, in denen sie die Motivik barocker und klassizistischer Statuen von Gian Lorenzo Bernini und Antonio Canova aufgreift. Die im Stil hauchzarter Valeurmalerei gehaltenen Bilder zeigen vornehmlich Gesichter und Köpfe, wodurch der Fokus auf psychologische Momente gelenkt wird. Dieser Aspekt offenbart sich auch im Zusammenspiel von modelliertem Inkarnat und von silhouettenartig gestalteten Körperpartien, welches die Figuren im Zustand emotionaler Entgrenztheit und Durchlässigkeit erscheinen lässt.
Vivian Greven, Lamia, 2017. Courtesy die Künstlerin. Photo: Vivian Greven
Obgleich die in einigen Motiven zum Ausdruck gebrachten Emotionen eine libidinöse Färbung haben, vermittelt sich die Thematik des Eros’ auch in einer universellen Bedeutung, die eine in der Psychoanalyse geläufige Begriffsauslegung im Sinne eines „Lebenstriebs“ naheliegend erscheinen lässt, welcher über das Sexuelle hinaus grundsätzlich positive zwischenmenschliche Gefühle bis hin zu Freundschaft oder familiärer Vertrautheit einschließt.1 Genau so, wie sich solcherlei Gefühle nicht denken lassen, beginnt die eigentlich interessante Beschäftigung mit Vivian Grevens Werken da, wo der Intellekt als Mittel versagt. Der Ausstellungstitel besteht in einer phonetischen Wiedergabe des menschlichen Herzschlags, welcher als Motiv in einem ebenso in der Galerie präsentierten Prosagedicht vorkommt.
Installation view Vivian Greven, BUDUMN, Setareh Gallery 2017 (c) Photography: Ivo Faber
Es sind schon bedeutende Geistesgrößen mit dem Versuch gescheitert, den Geheimnissen der Liebe mithilfe des Verstandes auf den Grund zu gehen.2 Metaphern und Allegorien erweisen sich als einzig mögliche Ausdrucksform, um das empfindungsmäßig Evidente in eine adäquate äußerlich greifbare Form zu übersetzen. Vor dem Hintergrund einer Epoche, in der die musische Beschäftigung mit dem Eros nur noch rudimentär stattfindet, ließen sich die hier erzeugten Visualisierungen taktiler Empfindungen im Sinne der Rekultivierung eines romantischen Ethos’ auslegen. Dabei kommen die zum Ausdruck gebrachten Zustände seelischer und körperlicher Nähe einem Zauber gleich, der sich im Zuge einer auch in der Liebe kaum vermeidbaren Routine oft verflüchtigt. Wenn es jemandem gelingt, immer wieder präzise Darstellungen von Situationen hervorzubringen, in denen dieser Zauber spürbar wird, dann ist das schön.
Vivian Greven
BUDUMN
11. November 2017 – 13. Januar 2018
Setareh Gallery
Hohe Str. 53
40213 Düsseldorf
Öffnungszeiten:
Dienstag bis Freitag 12h-18h
Samstag 11h-16h
Lernen Sie mit uns die Düsseldorfer Galerienszene kennen! Artesarticulo ist ein Verbund langjährig erfahrener Kunstvermittler/innen, die sich die Erkundung der aktuellen Ausstellungen im Zuge individueller Rundgänge zur Aufgabe macht. Diese werden in Kooperation mit der Düsseldorf Tourismus GmbH auch in Form öffentlicher Führungen angeboten.
Fußnoten
- Eine dahingehende Definition entspricht ihren Grundzügen nach der Triebtheorie Sigmund Freuds, im Rahmen derer der erotische Trieb als lebensbejahende und lebenserhaltende Kraft dem sog. Todestrieb gegenübergestellt wird.
- Beispiele dafür lassen sich unter anderem bei Carl Gustav Jung oder bei Emmanuel Lévinas finden. Carl Gustav Jung definiert Eros und Logos als zwei einander entgegengesetzte Kräfte und als einander ausschließende Entitäten. Seine gescheiterten Versuche, die Liebe mit wissenschaftlichen Methoden zu ergründen kommentiert er u.a. mit der Feststellung: „Das Problem der Liebe erscheint mir als ein ungeheuerlich großer Berg, der mit all meiner Erfahrung sich nur immer zu noch größerer Höhe aufgetürmt hat, wenn ich je meinte, ihn beinahe erklommen zu haben.“ In: Jung, Carl Gustav / Schiess, Marianne (Hrsg.): Über die Liebe, Düsseldorf, 2003, S. 14.
Anhand Emmanuel Levinas’ Text Phänomenologie des Eros lässt sich ein solches Scheitern in aller Detailliertheit nachvollziehen. Der Philosoph scheint grundsätzlich davon auszugehen, dass sich das Wesen des Eros’ auf dem Wege einer immer tiefer führenden Introspektion ergründen lässt. Die daraus resultierende Analyse führt letztlich gerade das reziproke Prinzip des emotionalen Geben und Nehmens ad absurdum. In: Lévinas, Emmanuel: Totalität und Unendlichkeit, München, 2002, S. 372 ff.