Jef Geys: Oldenburg

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Allgemein

Bildfabrik und Bleiwüste – Jef Geys:
Oldenburg, Galerie Max Mayer

Der ur­bane Trott groß­städ­ti­scher Bahn­hofs­vier­tel ist na­tur­ge­mäß eher von hektisch-ziel­gerich­teter Fort­bewe­gung als von ent­schleu­nigt-be­däch­tiger Bummelei bestimmt. Einige Pas­santen, deren flüch­tiger Blick in den letz­ten Wo­chen durch das Schau­fens­ter eines kalt­weiß aus­ge­leuch­teten Laden­lokals in der Wor­ringer Stra­ße fiel, mögen sich für einen Augen­blick ge­fragt haben, was dort ver­kauft wird und diesen Gedan­ken kurz darauf wieder ver­gessen haben. Andere mögen dieser Frage aus spon­taner Neu­gier nach­gegan­gen sein und das Laden­lokal betre­ten haben. Sie werden sich dann womög­lich unschlüs­sig umge­guckt und anschlie­ßend (anhand eines auslie­genden Informationsblatts) erfah­ren haben, dass sie sich in einer Aus­stel­lung eines bel­gischen Küns­tlers namens Jef Geys befinden.

Ausstellungsansicht: “Jef Geys – Oldenburg”, Courtesy Galerie Max Mayer

Angesichts dessen, dass in dieser Ausstel­lung zehnmal das gleiche Ölge­mälde mit der Darstel­lung einer Villa im Grünen hängt, werden sich manche dann viel­leicht gefragt haben, worin der genaue Sinn eines sol­chen Aus­stel­lungs­pro­gramms bestehen soll. Darauf­hin werden sie mög­licher­weise mit ver­ständnis­losen Gesich­tern wieder hinaus­gegangen sein. Unter Umstän­den werden sie sich aber nach einem geeig­neten Ansprech­partner umge­schaut und im hin­teren Raum den Gale­risten Max Mayer ange­troffen haben, der ihnen etwas über die hier präsen­tierten Werke er­zählt haben mag. Dabei könnte dann auch da­rauf einge­gangen worden sein, dass die Gemäl­de hier eigen­tlich gar nicht von Jef Geys ange­fer­tigt wurden, son­dern dass es sich dabei um indus­tri­ell her­gestell­te Massen­ware handelt, wie sie in den frü­hen 1970er Jahren von bis zu 200 Mitar­bei­tern in der Werk­statt des Nieder­länders Martin Douven produ­ziert wurde. Eben­so könnte über andere Dinge gespro­chen worden sein. Bei­spiels­weise über die Tat­sache, dass Herr Geys die Bilder zwar nicht ge­malt aber in sie hinein­gemalt hat und dass die von ihm hinzu­gefüg­ten Bild­in­halte das ebenso immer gleiche Motiv einer Plas­tik des Pop-Art-Küns­tlers Claes Olden­burg zeigen.

Jef Geys: Oldenburg 6/14, 2017, Courtesy Galerie Max Mayer

Wenn es also zu einer der­ar­tigen Begeg­nung gekommen sein sollte, dann könnte sich im Ver­lauf eines sol­chen Ge­sprächs auch noch heraus­gestellt haben, dass die Stüh­le und die Motiv­tapeten zur Aus­stellung und nicht zum Inven­tar gehören, wes­halb man es hier genau genom­men nicht nur mit zehn iden­tischen Bildern, sondern mit zehn nahezu iden­tischen Instal­latio­nen zu tun habe. In diesem rein hypo­theti­schen Fall mögen die kurz­entschlos­sen in die Ga­le­rie einge­trete­nen Passan­ten dies alles ver­mut­lich abson­derlich gefun­den und sich wieder verab­schiedet haben, um sich den ursprüng­lich vorge­nom­menen Erledi­gungen zuzu­wenden. Es ist aller­dings nicht ganz auszu­schlie­ßen, dass dem einen oder anderen dieses Erleb­nis zu Hause noch einmal durch den Kopf gegan­gen sein und dazu angeregt haben mag, den Namen des Küns­tlers bei Google einzugeben. Sie oder er könnte dann auf die Inter­net­seite der Gale­rie gelangt sein und fest­gestellt haben, dass dort eine Linksammlung mit Pub­lika­tionen existiert, aus denen sich eini­ges über diesen Mann erfahren lässt. Wie etwa dass der heute 83jährige im Zuge seiner jahr­zehnte­lang ausge­übten Tätig­keit als Kunst­lehrer Origi­nale von Jim Dine, Lucio Fontana und Roy Lichtenstein in seiner Schule ausstellen ließ. Oder dass er 1971 eine pleite­gegan­gene Zeitung in seiner Heimat­stadt Balen über­nommen hat, welche er seit­dem als Infor­mations­medium bezüglich der in seiner Arbeit enthal­tenen kunst­histori­schen, kunst­sozio­logi­schen und kunst­päda­gogi­schen Impli­kationen heraus­gibt.

Theo­retisch denkbar ist auch, dass eine Per­son, die sich be­reits in einem sol­chen Maße mit den ange­sproche­nen Sach­ver­halten be­fasst hat, das Ganze so interes­sant fin­det, dass sie sich besten­falls dazu ange­regt fühlt, sich selbst­ständig mit den hier tan­gier­ten Themen­berei­chen zu befas­sen. Even­tuell sitzt jetzt also jemand am heimi­schen Rech­ner oder in einer Biblio­thek, um sich Informa­tionen zu ver­schaf­fen, die etwas mit den Inhal­ten von Jef Geys’ Ar­beit zu tun haben. Un­wahr­schein­licher Weise mögen ihm dabei Bü­cher über die Kunst­sozio­logie der trivia­len Malerei oder über das Nischen­phäno­men der Bilder­fabriken unter­kommen, welche ihm Ein­blicke in mar­ginali­sierte Berei­che des Kunst­betriebs gewäh­ren.1 So könnten ihr oder ihm gar weitest­gehend unbe­achtete kultur­geschich­tliche Zusammen­hänge auf­gehen. Zum Bei­spiel darüber, inwie­weit ein typisch klein­bürger­licher Kunst­geschmack mit der Abschaf­fung der Adel­sprivi­legien zu­sam­men­hängt. Oder hin­sich­tlich der Frage, ob sich die Pro­duktions­stät­ten der hier be­schrie­benen Möbel­haus­kunst auch in der Tradi­tion barocker Maler­werkstät­ten sehen las­sen. Infol­ge dessen könnte diese Per­son zu der Ein­sicht gelangen, dass es keine fal­sche Entschei­dung war, die omi­nösen Räume in der Worrin­ger Straße zu betre­ten und genau­er anzugucken. Wie noch ein­mal betont wer­den soll, beru­hen die hier vorge­nommenen Schilde­rungen jedoch nicht auf gesich­erten Fak­ten, sondern ledig­lich auf Spekula­tionen.

Jef Geys
Oldenburg

3. November – 21. Dezember 2017

Galerie Max Mayer
Worringer Str. 64
40211 Düsseldorf

Öffnungszeiten:

Dienstag bis Freitag 13h-18h
Samstag 12h-18h

Lernen Sie mit uns die Düsseldorfer Galerienszene kennen! Artesarticulo ist ein Verbund langjährig erfahrener Kunstvermittler/innen, die sich die Erkundung der aktuellen Ausstellungen im Zuge individueller Rundgänge zur Aufgabe macht. Diese werden in Kooperation mit der Düsseldorf Tourismus GmbH auch in Form öffentlicher Führungen angeboten.

Fußnoten

  1. Nutz, Walter: Soziologie der trivialen Malerei, Stuttgart, 1975.
    Pieske, Christa / Brückner, Wolfgang: Die Bilderfabrik, Frankfurt a. M., 1973.

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